BayernUp2Date 0029

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

wir wagen es kaum zu sagen: Das Gendersternchen diskriminiert. Geschlechtergerechte Sprache ist nicht nur schwer zu schreiben, sie ist auch schwer zu verstehen. Jedenfalls für Blinde. Die stolpern über Binnen-I und Schrägstrich, Unterstrich und Sterne, wenn sie sich Texte am Bildschirm vorlesen lassen. Was die Vorlesesoftware aus Wörtern mit solchen Zeichen macht, erfordert starke Nerven. Warum, das erklärt Domingos de Oliveira, Berater für Barrierefreiheit. Und wenn man das Vorlesen der Zeichen einfach ausschaltet? Dann hört es sich an, als bestünde die Welt nur aus Frauen. Wir üben uns heute im Spagat zwischen gewerkschaftlicher Genderpflicht und dem eigenen Anspruch, wenigstens diesen Newsletter barrierefrei zu gestalten.

Ihre
Redaktion von BayernUp2Date

 

Inhalt:
+ Hilfreiche Technik
+ Digitale Barrieren
+ Was fehlt
+ Echt jetzt?
+ Termine
+
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Hilfreiche Technik
„Das Internet hat mir die Welt geöffnet“, sagt der gehörlose Wille Felix Zante in einem lesenswerten Interview. Youtube bietet inzwischen Videos in Gebärdensprache, Behördenwebsites ebenso. Es gibt Software, die Filme und Videos mit Unterzeilen versieht. Selbst wenn deren Qualität nicht selten zu wünschen übrig lässt, helfen sie allen, die mit gesprochener Sprache Probleme haben: weil sie nichts hören, weil es zu schnell geht, weil ihr Deutsch nicht reicht oder weil sie ohne Kopfhörer in der U-Bahn sitzen. Sehbehinderte benutzen Software, die vergrößert, den Kontrast erhöht oder Farben konvertiert. Blinde arbeiten mit Vorlesesoftware und einer Blindenschriftzeile, mit der sie per Cursorrouting an die richtige Stelle im Text springen – sie sehen den Link ja nicht, auf den es zu klicken gilt. Für alle, denen die Sprache selbst zur Hürde wird, also etwa Menschen mit Lernbehinderung und Migranten beim Deutschlernen, hat das Netzwerk capito eine App entwickelt, mit der sie einen Text in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen lesen können. Das schützt vor Diskriminierung: Niemand merkt es, wenn sie auf leichte Sprache zurückgreifen.  

 
Digitale Barrieren
Digitaler Fortschritt kann auch zum Nachteil werden. Endlich Videos und Podcasts statt langer Texte? Schlecht, wenn Unterzeilen fehlen. WhatsApp bietet Sprachnachrichten? Toll, nur nicht für Gehörlose. Das Bild auf Instagram sagt mehr als tausend Worte? Blinden und Sehbehinderten nicht, weil fast immer der Alternativtext fehlt. Dokumente mit eingebetteten Links sind ebenfalls problematisch, denn da funktioniert das Cursorrouting nicht. Und erst die Software! Kaum haben es Betriebs- und Personalräte in jahrelanger Kleinarbeit geschafft, die hauseigene Software barrierefrei zu machen, kommt ein neues Programm – und schon fangen sie wieder von vorne an. Externe Software muss meist mühsam angepasst werden, denn bei ihrer Entwicklung war Barrierefreiheit eher nicht von Belang. Dabei lässt sich jede Software auf Barrierefreiheit prüfen. Man muss es nur wollen. Solange die neue Software nicht angepasst ist, brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung eine Assistenz oder wenigstens die Gewissheit, dass sie nicht heruntergestuft werden, nur weil die Software zu ihnen nicht passt. Eine Software für Menschen mit Muskelschwäche, die keine Tastatur bedienen können, steht noch auf der Wunschliste mancher Behörde.
 

Was fehlt
Während zum Beispiel in den USA der gesamte öffentliche Raum barrierefrei sein muss und Unterstützung ganz selbstverständlich zur Verfügung steht, muss man sich in Deutschland selbst darum kümmern, in der Regel bei unterschiedlichen Kostenträgern. Seit 2009 gilt zwar auch bei uns die UN-Behindertenrechtskonvention. Es gibt Aktionspläne, Gesetze und Verordnungen für das öffentliche Angebot von Bundesbehörden, doch wie barrierefrei sich Länder, Kommunen und Private aufstellen, bleibt ihnen überlassen. Wer vor einer Hürde steht, muss zu oft selbst sehen, wie er sie überwindet. Barrierefreiheit ist behördlich erwünscht oder sogar vorgeschrieben, aber keine offizielle Stelle prüft, ob es sie tatsächlich gibt. Hier fehlt „eine ganz harte Vorschrift“, sagt der oben erwähnte Wille Felix Zante.

 
Echt jetzt?
Elektrofahrzeuge bewegen sich lautlos. Gefährlich ist das für Fußgänger und Radfahrer, noch gefährlicher für Blinde und Sehbehinderte. Die EU schreibt für E-Autos deshalb Warngeräusche vor, die sich zum Beispiel so anhören. Jeder Autohersteller bastle am eigenen Sound, heißt es auf ingenieur.de. Für BMW komponiert sogar ein Hollywoodstar, und zwar einen Sound für den Innenraum des Autos. Damit der Fahrer – wir sind sicher: so ticken nur Männer! – nicht auf das vertraute Motorengeräusch zu verzichten braucht.

Termine

  • Mittwoch 28. August 2019, Berlin: "Digitale Transformation in der Sozialwirtschaft: Erscheinungsformen, Entwicklungsperspektiven, Handlungsnotwendigkeiten", ein Workshop der Friedrich-Ebert-Stiftung. Infos und Anmeldung (bis 21.8.)
  • Donnerstag 12. und Freitag 13. September 2019, Berlin: „Next Practice – Bildungsinnovationen für den digitalen Wandel“, Konferenz des Forums Bildung Digitalisierung 2019. Infos und Anmeldung
  • Dienstag 17. September 2019, Düsseldorf: „Digitale Medien im Ausbildungsalltag“, Roadshow des BMBF. Infos
  • Montag 28. Oktober 2019, Hannover: „Digitalisierung der Bildung – eine kritische Betrachtung“, Fachtagung Training und Weiterbildung. Infos und Anmeldung

Ihre Hinweise auf Veranstaltungen zur Digitalisierung greifen wir gerne auf. Bitte per E-Mail an die Redaktion.
 

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