BayernUp2Date 0040

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Rotkäppchen war misstrauisch. „Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!“, rief es, fand Ohren, Mund und Hände der Großmutter genauso merkwürdig – und ließ sich trotzdem fressen. Mit Gesichtserkennungssoftware wäre die Geschichte anders ausgegangen, doch Rotkäppchen hatte ja nicht mal ein Smartphone. Heute lädt man ein Foto seines Gegenübers in die App und erfährt sofort Namen, Adresse, Alter und Beruf, womöglich die Kontodaten und die sexuelle Orientierung – was halt im Netz zu finden ist. Alles kein Problem mit der richtigen Software. Oder vielmehr: ein Riesenproblem, meint     

die Redaktion von BayernUp2Date

 

Inhalt:
+ Vom Ende der Privatsphäre
+ Gesichtserkennung in der EU
+ Wenn die Technik irrt
+ Authentifizieren ja, identifizieren nein
+ Echt jetzt?
+ Termine
+
An- und abmelden, PDF, Impressum

   

Vom Ende der Privatsphäre
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass US-Behörden mit der Gesichtserkennungs-App Clearview arbeiten. Über drei Milliarden Fotos hatte Clearview „zusammengekratzt“ und verkaufte die App jedem, der dafür zahlte. Die Öffentlichkeit war entsetzt. Vom Ende der Privatsphäre war die Rede, von Massenüberwachung, rassistischer Diskriminierung und Menschenrechtsverletzung. Amazon und Microsoft, die seit Jahren zur Gesichtserkennung forschen, bieten die Technik vorläufig nicht an, IBM ist ganz ausgestiegen. San Francisco hat Gesichtserkennung komplett verboten. Und in der EU, mit ihrem strengen Datenschutz? Ist es auch nicht besser, wie netzpolitik.org kürzlich aufdeckte: PimEyes „schafft gerade unsere Anonymität ab“ – die Firma sitzt in Polen. Auf Mallorca suchen Supermärkte mit Gesichtserkennung nach Ladendieben.    

 
Gesichtserkennung in der EU
Als die EU-Kommission ihr Weißbuch zur künstlichen Intelligenz verfasste, erwog sie kurz, Gesichtserkennung auszuschließen. Sie tat es nicht. Könnte ja der Wirtschaft schaden. Die Eingaben zum Weißbuch zeigen: Viele wollen diese Technik mindestens regulieren. Dabei nutzt auch die europäische Polizei Gesichtserkennung, zeigt AlgorithmWatch. Bei den G20-Protesten tat sie das so hemmungslos, dass der Hamburger Datenschutzbeauftragte protestierte. Vergebens. Vor drei Jahren testete das Bundesinnenministerium am Berliner Bahnhof Südkreuz, wie gut Videoüberwachung Gesichter in einer Menschenmenge erkennt – nach Ansicht des Ministeriums ein Erfolg, nach Ansicht von Fachleuten ein Flop. Immerhin hat Innenminister Seehofer seine Gesichtserkennungspläne vorläufig auf Eis gelegt.
 
Wenn die Technik irrt
Gesichtserkennungssoftware diskriminiert. Weiße Männer erkennt sie richtig. Schwarze müssen damit rechnen, versehentlich verhaftet zu werden. Eine dunkelhäutige Frau hat die Google-Bildersuche vor ein paar Jahren für einen Gorilla gehalten. Die Technik ist besser geworden und kann inzwischen sogar Leute mit Maske identifizieren. Unfehlbar wird sie trotzdem nie sein. Das liege an den Daten, mit denen sie trainiert wird, und an den Vorurteilen der Programmierer, meint die Süddeutsche. Warum die Software nicht allen Menschen gleichermaßen gerecht werden kann, erklärt Anna Biselli in der Vice.
 
Authentifizieren ja, identifizieren nein
Gesichtserkennung ist praktisch. Man entsperrt auf einen Blick das Handy, kommt ohne Ausweis durchs Werkstor und braucht am Flughafen nicht zu warten. In China dient sie zum Einkaufen und Bezahlen. Schönheitsoperationen können dabei allerdings zum Problem werden. Solange die Software Gesichter authentifiziert, also prüft, ob es sich um die bereits bekannte Person handelt, ist alles gut. Kritisch wird es, wenn sie unbekannte Menschen identifiziert, indem sie Fotos oder Videoaufnahmen mit einer Datenbank abgleicht. Da überlegt mancher zweimal, ob er noch zu einer Demo geht. Die Fotos landen ja garantiert im Netz, und wer weiß, was eine weniger demokratische Regierung später einmal damit macht. In den USA rüsten Demonstranten mittlerweile technisch auf und verpixeln Gesichter automatisch. Noch besser ist es, Fotos gar nicht erst hochzuladen. Vielleicht wird man künftig wenigstens weniger schief angesehen, wenn man nicht bei jeder Gelegenheit mit aufs Foto will.
 
Echt jetzt?
Ob es was bringt, wenn Sie das Foto Ihres Goldfischs in einer Tierdatenbank hochladen? Hunde und Katzen sind jedenfalls schon drin. Mit Gesichtserkennungssoftware werden entlaufene Haustiere wiedergefunden, und Chinas Wildhüter überwachen ihre Pandas. Die indische Firma MoooFarm verhindert damit Kuh-Unfälle und -Versicherungsbetrug, und schottische Schweinezüchter sehen früher, ob die Tiere krank werden. 
 

Termine

  • Freitag 18. September 2020, 18 Uhr, Bielefeld und im Livestream: „Big Brother Awards – die Oscars für Datenkraken“. Infos
  • Samstag 10. bis Sonntag 25. Oktober 2020, weltweit: „EU Code Week“, von der Europäischen Kommission unterstützte Programmier-Initiative. Infos
  • Montag 2. November bis Freitag 6. November 2020, Undeloh: „Postkapitalismus 1.0. Digitalisierung als Chance für eine gerechtere Wirtschaftsordnung?“. ver.di-Seminar. Infos und Anmeldung.
  • Montag 9. bis Dienstag 17. November 2020, im Internet: „Nürnberg digital Festival“. Infos
  • Montag 14. Dezember bis Donnerstag 17. Dezember 2020, Bielefeld: „Digitalpolitische Winterschule. Schöne neue Arbeitswelt: Wie die Digitalisierung die Arbeit verändert“. ver.di-Seminar. Infos und Anmeldung

Ihre Hinweise auf Veranstaltungen zur Digitalisierung greifen wir gerne auf. Bitte per E-Mail an die Redaktion.
 

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